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Die Digitalisierung betrifft alle Bereiche des Arbeitslebens, auch den Energiemarkt.
Physischer algorithmischer Handel: Sekundenentscheidungen
Durch den immer größer werdenden Anteil erneuerbarer Energiequellen im Stromnetz werden digitale Lösungen für den Energiehandel unverzichtbar. Auf Grundlage sorgfältig entwickelter Algorithmen können Händler die Stromerzeugung und Stromlieferungen in Echtzeit optimieren.
Erneuerbare Energiequellen wie Sonne und Wind haben den Energiemarkt wetterabhängiger und damit volatiler gemacht: Wetteränderungen beeinflussen die Stromerzeugung. Das macht es schwieriger, vorherzusagen, wie viel Strom zu einem bestimmten Zeitpunkt durch flexible Technologien, z.B. Wasserkraft, Gaskraft oder Batterien, erzeugt werden muss, um eine gleichmäßige Stromversorgung zu gewährleisten.
"Bis zum Mittag eines Tages können wir bereits Strom für verschiedene Zeiträume am Folgetag verkauft haben, zum Beispiel auf der Grundlage der erwarteten Windproduktion. Da es aber im Tagesverlauf Diskrepanzen zwischen Erzeugung und Verbrauch gibt, muss dies in Echtzeit zwischen Versorgern und Verbrauchern koordiniert werden", erklärt Dr. Konstantin Wiegandt, Leiter des Bereichs Algorithmic Trading & Analysis im Statkraft-Büro in Düsseldorf, Deutschland.
Erneuerbare Energiequellen wie Sonne und Wind werden vom Wetter beeinflusst. Dadurch wird es schwieriger, die Menge Strom, die in bestimmten Zeiträumen produziert wird, vorherzusagen. In einem derart instabilen und kurzfristigen Energiemarkt besteht ein größeres Bedürfnis, schnelle Entscheidungen treffen zu können. Dafür sind Maschinen besser geeignet als Menschen. (Foto: Shutterstock)
Statkraft entwickelte die ersten algorithmischen Anwendungen im Jahr 2013 und hat seitdem ein umfassendes Portfolio von Handelsalgorithmen entwickelt.
Durch virtuelle Kraftwerke in Deutschland und Großbritannien kann die fluktuierende Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien von einer Reihe von Kleinproduzenten konsolidiert und kontrolliert werden.
"Je näher wir dem Lieferzeitpunkt kommen, desto besser können wir vorhersagen, welche Art von Stromquelle wann Strom liefern wird, und wir können den Strom bis wenige Minuten vor dem Verbrauch handeln. Da der Zeithorizont so kurz ist, brauchen wir Unterstützung durch unsere mathematischen Algorithmen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen", sagt er.
Elemente eines virtuellen Kraftwerks.
Kühlschrank und Elektroauto für die Stromversorgung
Niemand kann das Wetter mit 100-prozentiger Genauigkeit vorhersagen. Zehn Stunden vor einer geplanten Lieferung liegt die Unsicherheit für die Windproduktion bei etwa 10 Prozent, und je näher die Lieferung rückt, desto genauer wird die Prognose. Wenige Minuten vor der Lieferung liegt sie bei etwa 2 Prozent.
"Erst zum Zeitpunkt der Lieferung wissen wir, wie viel Windstrom tatsächlich geliefert wird. Um eine stabile Stromversorgung zu gewährleisten, müssen Wind- oder Solarenergie mit flexiblen Energiequellen wie Wasserkraft, Batterien und Gaskraft ausbalanciert werden", sagt Wiegandt.
Der Trend auf dem Markt geht hin zu einer wachsenden Zahl von Kleinproduzenten flexibler Energie.
Könnte eine Autobatterie als kleine Energiereserve im Netz dienen? (Foto: Shutterstock)
"Es ist zum Beispiel möglich, den Gedanken bis zu einem einzelnen Elektroauto herunterzubrechen, das während des Ladens Flexibilität ins Stromnetz bringt. Mit Hilfe von algorithmischen Handelslösungen können wir diese Art von Flexibilität im kleinen Maßstab in das Stromnetz integrieren. Diesen Weg müssen wir gehen, um das Ziel von 100 Prozent erneuerbarer Energie zu erreichen", sagt Wiegandt. Ein besserer Zugang zu Wind- und Sonnenenergie allein reicht nicht aus, da die Erzeugung so stark vom Wetter abhängt.
"Die Elektroauto-Revolution ist ein Beispiel für eine Wende, die großes Potenzial für die Flexibilisierung des Stromnetzes bieten kann. Dazu müssen jedoch Tausende von Windturbinen und Solarpaneel-Systemen mit Millionen von Batterien für Elektroautos koordiniert werden, und dies kann nur durch Automatisierung geschehen. Algorithmen werden hier eine unverzichtbare Rolle spielen", erklärt er.
Selbst kleine Geräte wie Kühlschränke bieten potenziell Flexibilität, da ihr Stromverbrauch zeitlich verschoben werden kann. "Dies sind aufregende Zeiten, denn der Energiemarkt und die Technologie sind auf völlig neue Weise miteinander verbunden", fügt er hinzu.
Maschinen helfen Menschen
Im Jahr 2018 erwarb Statkraft 61 Prozent des in München ansässigen Unternehmens eeMobility, das Ladelösungen für Firmenwagenflotten anbietet.
"Wenn wir wissen, dass diese Elektroautos zwischen acht Uhr abends und acht Uhr morgens aufgeladen werden, können wir berechnen, wie viel Flexibilität wir mit ihnen erreichen können. Wir werden von dieser Art des flexiblen Verbrauchs in Zukunft immer mehr sehen", sagt Wiegandt.
Unter anderem verwaltet Statkraft den Handel mit flexiblen Energieressourcen im Auftrag von Drittproduzenten in Großbritannien auf vollautomatisierte Weise.
"Externe Daten in Form von Wetterberichten und Informationen von Kunden und Produzenten liefern Input für unsere Systeme. Dann berechnen die Algorithmen die besten Zeitpunkte für den Handel, die Produktion oder den Verbrauch von Energie. Die Signale werden dann automatisch an die Kraftwerke übertragen", erklärt er.
Geschäftiges Treiben und tiefe Konzentration im Handelsraum von Statkraft in Düsseldorf, Deutschland. (Foto: Oliver Tjaden)
Statkrafts Handelsbüros in Düsseldorf und Oslo sind täglich rund um die Uhr besetzt. Die Roboter führen Berechnungen durch, handeln und planen, während die Menschen bei Bedarf eingreifen können.
"Unsere Energiehändler wissen, wie die Algorithmen funktionieren und können sie auch weiterentwickeln oder verfeinern. In der ersten Jahreshälfte 2020 haben die Algorithmen von Statkraft drei Millionen Transaktionen abgeschlossen", sagt Wiegandt.
Das größte Windpark-Portfolio von Statkraft befindet sich in Deutschland, wo Algorithmen in der Lage sind, das gesamte Portfolio von Windkraftanlagen mit einer Produktion von mehr als 10.000 MW auszugleichen.
"In besonders instabilen Situationen, z.B. wenn ein Sturm vorhergesagt wird, können die Mitarbeiter die Transaktionen ganz oder teilweise manuell übernehmen. Es geht darum, schnelle und richtige Entscheidungen zu treffen, und die Maschinen unterstützen die Mitarbeiter dabei. Je schneller und effizienter wir Entscheidungen treffen, desto kostengünstiger wird es für die Verbraucher", sagt Wiegandt.
Siehe auch: Algorithmischer Finanzhandel
Im algorithmischen Finanzhandel werden Erwartungen über zukünftige Trends auf dem Energiemarkt auf Grundlage automatisierter Handelsmuster gekauft und verkauft. Die Interaktion zwischen Menschen und Maschinen eröffnet völlig neue Möglichkeiten.
Algorithmischer Finanzhandel: Menschen und Roboter ziehen an einem Strang