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120 Jahre Statkraft: Glomfjord – eine Gemeinde entsteht

26 Okt., 2015

„Unser Herrgott hat diesen Ort nicht gerade mit Reichtümern überschüttet“, hieß es 1918 in einer Reportage in der Tageszeitung Norges Handels- og Sjöfartstidende. So sehr kann man sich täuschen.

Ende des 19. Jahrhunderts gab es am Ende des 18 Kilometer langen Glomfjords nur zwei Höfe und einen tosenden Wasserfall mit einer Fallhöhe von 464 Metern. Dank der Wasserkraft aus dem Wasserfall Fykanfossen ist Glomfjord ein dynamischer und produktiver Industrieort geworden. Die dort angesiedelte Industrie exportiert in die ganze Welt. Man schätzt, dass die Wertschöpfung durch Statkraft und die Industrie bei jährlich etwa 700 Millionen Euro liegt.

„Das Kraftwerk und die Industrie haben für Glomfjord eine große Bedeutung“, sagt Tor Oscar Lillevold, Lehrer an der Grundschule in Glomfjord. „Dies ist ein sicherer und guter Ort zum Leben, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, und für die Einwohner gibt es unter anderem ein Kulturhaus, ein Schwimmbad und eine Skipiste. Die 1.100 Einwohner von Glomfjord, und auch die gesamte Kommune Meløy, wissen sehr wohl, wo der Wohlstand herkommt.“

Starke Jungs

Das Industrieabenteuer begann 1898 mit zwei Männern voller Visionen, dem Polizisten Iver Tønseth und dem Küster August Sivertsen in Måløy. Für etwa 14 Euro kauften sie die Fallrechte am 464 Meter hohen Wasserfall zwischen dem See Nedre Navervatnet und dem Meeresspiegel. Geplant war, Getreidemühlen zu betreiben, doch nach kurzer Zeit übernahm der Geschäftsmann Rasmus Schjølberg die Rechte. 1912 wurde die Glomfjord Aktiengesellschaft gegründet. Im gleichen Jahr wurde die Genehmigung zum Bau eines Kraftwerks erteilt und ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben.

„Mit seinem von einer Kathedrale inspirierten Vorschlag gewann Olaf Nordhagen,
der unter anderem als Architekt des Kraftwerks Vemork in Rjukan bekannt ist. Anschließend kamen Bauarbeiter aus allen Himmelsrichtungen in der Hoffnung, hier Arbeit zu finden“, erzählt Erling Nystad, Senior Advisor Power Generation bei Statkraft. Einer der Wanderarbeiter, der seine Arbeitskraft anbot, war Nystads Großvater, der zu dieser Zeit eine Mischung aus Pionier und Fischer war. 

Alle Baumaterialien – auch für die Anlagen am Einlauf des Speicherbeckens oben im Gebirge – wurden übers Meer in den Fjord hineingeschifft. „Sie wurden von den Wanderarbeitern hochgetragen“, erzählt Nystad. „Als Bezahlung gab es sieben Öre pro Kilo. Einer der Männer trug eine 120 Kilo schwere Holzkonstruktion an der steilen Gebirgswand entlang nach oben.“

Das Kraftwerk in Glomfjord war die erste Anlage des norwegischen Staates zur Stromerzeugung. Das Ziel war die Versorgung der wachsenden Industrie. Der Optimismus war groß, und 1914 entstand die Stadt Glomfjord auf dem Reißbrett – mit
Wohnungen und Infrastruktur für 6.000 Menschen. Sogar eine eigene Straßenbahntrasse
gehörte dazu.

Politischer Ärger

Der Abschwung im Zuge des Ersten Weltkriegs ließ die großen Pläne allerdings zusammenschrumpfen. Die Entwicklungsgesellschaft meldete Konkurs an. Der Staat erwarb die Rechte am Wasserfall und Immobilien für etwa 1,7 Millionen Euro und wurde damit Besitzer der gesamten Stadt. 

„Das verursachte viel politischen Ärger, denn es gab mächtige Gruppen, die der Meinung waren, dass Norwegen sich das nicht leisten könne“, erläutert Nystad. „Doch der damalige Ministerpräsident Gunnar Knudsen hatte die Vision, dass Norwegen sich in großem Stil am Ausbau der Wasserkraft beteiligen sollte, und gleichzeitig wollte er die Möglichkeiten für ausländische Investoren beschränken.“

Im Juni 1920 begann die Stromerzeugung im Kraftwerk, und Glomfjord lockte immer  mehr Industriebetriebe an. Bis zum Zweiten Weltkrieg gab es mehrere Versuche, im Ort Industrie wie beispielsweise die Aluminiumoder Zinkproduktion anzusiedeln, doch die Ergebnisse waren sehr unterschiedlich.

Großes Drama

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, übernahm die deutsche Besatzungsmacht das Kraftwerk. 1942 kam es hier zu einer Sabotageaktion, der Operation Muskedunder. Ziel war, die Stromversorgung der Aluminiumhütte zu kappen. In der Nacht zum 21. September wurden Aggregate und Druckrohrleitungen gesprengt.

Einer, der die Explosionen hörte, war der mittlerweile 95-jährige Johannes Ellingsen.„Mein Bruder war als Kranführer in Fykandalen im Kraftwerk beschäftigt“,
erzählt er. „Er wurde von den Deutschen geschnappt und saß für den Rest des Krieges in Gefangenschaft – in Norwegen und in Konzentrationslagern in Deutschland.“

Ellingsen selbst begann 1947 als Mechaniker im Kraftwerk. „Ich habe fast 40 Jahre Schicht gearbeitet und das Kraftwerk als hervorragenden Arbeitgeber erlebt.“ Hans Haakon Hansen (90) begann 1948 im Kraftwerk. Er erinnert sich: „Insgesamt habe ich 46 Jahre lang dort gearbeitet und war alles Mögliche – vom Büroboten bis zum Verantwortlichen für die meteorologische Station. Ich war sehr zufrieden, wir hatten gute Arbeitsbedingungen.“

Damals war der Klassenunterschied zwischen Angestellten und Arbeitern sehr groß.
„Die Kinder der Angestellten wurden Krawatten-Kinder genannt, während die Kinder der Arbeiter Blaumann-Kinder hießen“, erzählt Hansen. „Sie wohnten voneinander getrennt und hatten sogar jeweils ihren eigenen Sportverein.“

Einzigartiges Material

Als Norsk Hydro sich 1946 in Glomfjord niederließ, gab es so etwas wie eine „Klondyke-Stimmung“ – eine gute und stabile Zeit, in der die Wohlstandentwicklung deutlich zu spüren war.

Einer, der in den 1960er und 1970er Jahren in Glomfjord aufwuchs, war Kristen Selfors, Senior Specialist Support Services im Geschäftsbereich Power Generation. Er kann sich gut erinnern, wie sich der Industrieort vom Rest der Kommune unterschied. „Die Unterschiede waren groß. Hier ging es uns königlich, wir hatten Sessellifte, Sportplätze und Fußballtrikots“, erzählt er. „Schon früh wurden bei uns die Straßen asphaltiert, wir hatten einen eigenen Arzt, der sogar Zugriff auf ein Wasserflugzeug hatte, wenn es erforderlich war. Norsk Hydro entschied alles – auch die
Außenfarbe an den Privathäusern musste genehmigt werden.“

Zusammen mit Erling Nystad war Selford verantwortlich für die Sanierung der alten Verwaltungsgebäude des Kraftwerks und den Erhalt der Dokumente und alten Gegenstände, die von der Bedeutung des Kraftwerks erzählen. „Hier sitzen wir auf einzigartigem Material“, sagt Nystad. Er war auch der Verantwortliche für die Erfassung der erhaltungswürdigen Kraftwerke in Norwegen.

Diese Liste begründet Statkrafts nationalen Denkmalschutzplan für kulturhistorische Immobilien. In diesem Jahr wird das Kraftwerk Glomfjord unter Denkmalschutz gestellt. „Ich bin stolz auf das, was wir erreicht haben“, sagt er. „Der Plan enthält eine repräsentative Auswahl an historischen Gebäuden und Bauanlagen, die uns als Denkmäler daran erinnern, was die Wasserkraft für die gesellschaftliche Entwicklung und den Wohlstand in Norwegen bedeutet hat.“

Große Visionen

Der Industriepark Glomfjord ist das größte Industriegebiet in der Region Salten und trägt dazu bei, dass Nordland heute der zweitgrößte Industriebezirk in Norwegen ist. Bürgermeister Per Swensen in der Kommune Meløy zweifelt keinen Augenblick daran, dass das Kraftwerk die Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung ist. „Für das industrielle Wachstum hatte das Kraftwerk eine große Bedeutung“, sagt er.

Um 2010 erlebte die Industrie allerdings eine harte Zeit. Mit der Stilllegung des Solarzellenherstellers Renewable Energy Corporation (REC) verschwanden mehrere hundert Arbeitsplätze aus dem Ort. „Jetzt aber sind wir wieder auf einem guten Weg“, meint Swensen. „Die starke Kultur als Industrieort und der Zugang zu billigem Strom macht Glomfjord zu einem interessanten Standort für industrielle
Neuansiedlungen. Die Wasserkraft bedeutet enorm viel für die gesamte Kommune Meløy.“

Reiche Natur

Auch das Wasserkraft-Portfolio hat sich im Laufe der Jahr weiterentwickelt. Das Kraftwerk in Glomfjord sorgt auch für den Betrieb des 1993 eröffneten Kraftwerks Svartisen. Im vergangenen Jahr wurde zudem das neue Kraftwerk Fykanvatnet in der Maschinenhalle des Kraftwerks Glomfjord eröffnet. „Mit diesen drei Kraftwerken nutzt Statkraft alle Ressourcen in der Umgebung “, sagt Erling Nystad. „Wir können wohl feststellen, dass die Zeitungsreportage von 1918 gründlich danebenlag. Unser Herr hat diesen Ort reichlich bedacht!“