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Die Zukunft der Energiewende
Wie entwickelt sich die Energiewende bis 2050? Kann sie dazu beitragen, die Erderwärmung unter 2 Grad Celsius zu halten? Wir betrachten vier große Trends, die das möglich machen – und eine Hürde, die das Erreichen des Ziels verhindern kann.
Wir leben in aufregenden Zeiten: 2019 war das erste Jahr seit Jahrzehnten, in dem die Energienachfrage stieg, während die fossile Stromerzeugung sank – und das erste Jahr, in dem Nuklearenergie und erneuerbare Energien weltweit zusammen so viel Strom erzeugten wie Kohlekraftwerke. Die Corona-Pandemie hat ebenfalls einen Einfluss, obwohl sie die erneuerbaren Energien am wenigsten getroffen hat: 2020 erfuhren diese als einzige Energiequellen trotz der Pandemie ein Wachstum – wenn auch weniger stark als vor dem Ausbruch des Virus angenommen.
Doch wie geht es weiter? Wird die Energiewende stetig weiterschreiten und zügig ihr Ziel erreichen – oder ins Stocken und Straucheln geraten? Die Beantwortung dieser Frage ist Gegenstand vieler Berichte, Artikel und wissenschaftlicher Arbeiten.
Auch Statkraft veröffentlicht jedes Jahr das „Low Emissions Scenario“, um diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Im aktuellen Bericht stehen unter anderem die Einflussfaktoren auf die Energiewende im Blickpunkt, und wie die globale Erwärmung unter dem Wert von plus 2 Grad Celsius gehalten werden kann. Mithilfe des Low Emissions Scenarios haben wir die vier wichtigsten Trends für die Zukunft der Energiewende identifiziert – und einen Stopper mit dem größten negativen Einfluss auf die Entwicklung.
Die vier Megatrends in der Energiewende
Wir haben gute und schlechte Nachrichten: Vier Trends werden die Energiewende sicher vorantragen, das zeigt unser Low Emissions Report:
- Der Ausbau erneuerbarer Energien und die Reduktion der Nutzung fossiler Brennstoffe
- Elektrifizierung in Kombination mit Sektorkopplung für ein flexibles Energiesystem
- Der Ausbau emissionsfreiem Wasserstoff und Ammoniak als Alternativen für Elektrifizierung
- Effizienzsteigerung und die Senkung des Energiebedarfs
Leider, und das ist die schlechte Nachricht, gibt es trotz dieser Treiber einen Faktor, der dem Ausbau noch Sand ins Getriebe streuen kann: Politische Entscheidungen. Verbindliche Klimaschutzziele und regulatorische Rahmenbedingungen sind für eine erfolgreiche Energiewende unverzichtbar. Zögerliche klimapolitische Entscheidungen können zu unüberlegten oder stockenden Investitionen und einer kostspieligeren Energiewende führen. Wer investiert schon in eine ungewisse Zukunft?
Diese Trends identifizieren übrigens nicht nur wir von Statkraft: Unter anderen der Bericht „Klimaneutrales Deutschland“ der Initiative Agora Energiewende beschreibt die Trends und Stopper ganz ähnlich.
Wir befinden uns mitten in einer Revolution: Der Revolution der erneuerbaren Energien. Sinkende Kosten für erneuerbare Energien führen zu einem höheren Anteil an erneuerbaren Energien, wodurch die Kosten weiter sinken. Eine Entwicklung, die sich selbst befeuert.
Die Kosten für den Bau neuer Anlagen für erneuerbare Energien sinken auch im Vergleich zu den Kosten für Kohle- und Gaskraftwerke stetig. Schließlich werden die Kosten für neue Solar- und Windkraftanlagen so weit sinken, dass sie sogar günstiger sind als der Betrieb bereits gebauter Kohle- und Gaskraftwerke. Dadurch entsteht weltweit eine starke Wechselwirkung. Und dann werden fossile Brennstoffe von erneuerbaren Energien verdrängt.
Das wird Konsequenzen für den gesamten Sektor haben, denn erneuerbare Energien schwanken in der Erzeugung: Mal scheint die Sonne nicht, am nächsten Tag ist es windstill. Diese Eigenschaft erfordert ein , das damit umgehen kann. Flexibler Wasserkraft, wie sie Statkraft seit über 125 Jahren erzeugt, wird eine wichtige Rolle zuteilwerden. Kombiniert mit Speicherformen wie grünen Wasserstoff- und Batterieprojekten, flexiblen Stromverbrauchern, gesteuert in virtuellen Kraftwerken ((LINK: VPP)), ist ein solches flexibles Energiesystem schon heute möglich. Noch ist Wasserkraft die einzig erneuerbare Alternative, die sowohl kurz- als auch langfristige Flexibilität zu akzeptablen Kosten bietet.
Weltweit ist mit einem erheblichen Wachstum im Bereich der Photovoltaik zu rechnen. Im Low Emissions Scenario wird geschätzt, dass die installierte Leistung bis 2050 24 Mal größer sein wird als heute, nämlich 14.100 GW im Jahr 2050. Vor der Pandemie befanden sich sowohl China als auch Europa in einem vielversprechenden Umbruch weg von subventionierten Anlagen – und diese Entwicklung könnte sich in naher Zukunft wieder beschleunigen.
Der Wandel in der Energiewirtschaft spart massiv Emissionen – die Basis für Emissionsreduktionen in anderen Sektoren. Energieunternehmen ermöglichen dies durch Produkte wie Power Purchase Agreements (PPAs) ((LINK PPA-Page)) auch großen Industriekunden mit Nachhaltigkeitsambitionen.
Wasserkraft, Solarstrom und Windenergie erzeugen eine ganze Menge Energie. Wohin nun damit? Der oben genannte Kostenrückgang zusammen mit den fallenden Batteriepreisen macht es zusehends lohnender, Emissionen durch direkte Elektrifizierung in den Bereichen Verkehr, Gebäude und Industrie zu senken. Um Zeit zu sparen, müssen die Länder gleichzeitig die Dekarbonisierung des Stromsektors und die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf Elektrifizierung auf Basis erneuerbarer Energie vorantreiben.
Betrachten wir dies genauer für den Sektor Verkehr: Eigenen Analysen und externen Recherchen zufolge werden Elektrofahrzeuge mit dem aktuellen europäischen Strommix in der Ökobilanz schon heute weniger als die Hälfte der Treibhausgase ausstoßen als ein Dieselfahrzeug.
Mit einem emissionsarmen Energiesektor wie in Skandinavien und Frankreich werden die Emissionen mit einem Elektroauto im Vergleich zu einem Dieselauto um mehr als 80 % reduziert. Das liegt daran, dass der Elektromotor so effizient ist, dass fast die gesamte Energie in den Antrieb fließt, während bei Motoren mit fossilen Brennstoffen mehr als zwei Drittel der Energie verloren gehen. Wir gehen davon aus, dass im Jahr 2050 alle neuen PKWs Elektrofahrzeuge und fast 60 Prozent der neuen LKWs batterie- oder wasserstoffbetrieben sein werden.
Auch im Gebäudesektor können elektrische Wärmepumpen statt Gas bei gleichem Energieverbrauch drei- bis viermal mehr Wärme erzeugen als herkömmliche Heizungskessel. Wenn die fortschreitende Elektrifizierung zusätzliche Kapazitäten für die Stromerzeugung erfordert, werden neue Solar- und Windkraftanlagen die wirtschaftlichsten Alternativen hierfür sein.
Das Stichwort „wirtschaftlichste Alternative“ lässt natürlich auch die Industrie aufhorchen, vor allem die Zweige und Sektoren, bei denen die Energiekosten in der Produktion einen großen Anteil am Endpreis der hergestellten Produkte haben. Mit grünem Strom können Unternehmen Kosten reduzieren, Nachhaltigkeitsziele erreichen und langfristige Preissicherung und Planungssicherheit gewinnen.
Im Rahmen der Elektrifizierung gewinnt die Sektorkopplung an Bedeutung: Sektorkopplung bedeutet im weitesten Sinne, dass Sektoren mit hohem Energieverbrauch, wie Industrie und Verkehr, enger mit der Energiewirtschaft verknüpft werden.
Entscheidend für die kurzfristige Flexibilität werden demnach das intelligente Laden von Elektroautos und das intelligente Heizen von Gebäuden sein. Diese bieten zwar Flexibilität innerhalb von 24 Stunden, dennoch lösen sie nicht das Problem, Strom über längere Zeiträume zu speichern (Langzeitflexibilität), wenn die Stromerzeugung durch Wind und Sonne mehrere Tage lang sehr gering ist.
Die aktuell beste Maßnahme für nachhaltige Langzeitflexibilität ist Wasserkraft. Nur wenigen Ländern steht diese Option zur Verfügung, aber mit der Zeit wird die Sektorkopplung über emissionsfreien Wasserstoff auch langfristige Flexibilität schaffen.
Wasserstoff, der aus erneuerbarer Energie und Wasser hergestellt wird, ist sogenannter grüner Wasserstoff. Er ist sowohl bei der Herstellung als auch bei der Nutzung emissionsfrei, während Wasserstoff, der aus fossilen Brennstoffen mit CO2-Abscheidung und -Speicherung hergestellt wird, zu etwa 90 % emissionsfrei sein kann. Er wird auch als „blauer Wasserstoff“ bezeichnet.
Grüner Wasserstoff und Ammoniak sind ein großes Forschungs- und Entwicklungsfeld im Energiesektor. In unserem Low Emissions Scenario kommen wir zu dem Schluss, dass die Nutzung von grünem Wasserstoff und Ammoniak für Bereiche attraktiv ist, in denen sich die direkte Elektrifizierung nur schwer umsetzen lässt oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.
Beispiele wären der Transport schwerer Lasten über große Entfernungen, Hochtemperatur- und chemische Prozesse in der Industrie. In solchen Fällen werden die Treibhausgasemissionen durch eine Kombination aus emissionsfreiem Wasserstoff, Bioenergie, bzw. Speicherung, Verbesserungen der Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft reduziert.
Wasserstoff kann branchen- und anwendungsübergreifend transportiert und eingesetzt, langfristig gelagert und bei chemischen Reaktionen, wie etwa in der Petrochemie und Ammoniakindustrie, genutzt werden. Zudem entstehen bei dessen Verwendung keine Emissionen. Somit besitzt Wasserstoff verschiedene Eigenschaften, die sich mit der Nutzung von Direktstrom ergänzen. Mehrere Länder haben sich im vergangenen Jahr intensiver mit der Rolle von Wasserstoff befasst, und die EU hat ihre eigene Wasserstoffstrategie vorgestellt.
Immer mehr Strom für immer mehr Anwendungsgebiete: Steigt die Grünstrom-Nachfrage bis 2050 ins Unermessliche? Nein, denn durch Effizienzsteigerungen wird die Nachfrage nach elektrischer Energie sinken: nach unseren Prognosen im Low Emissions Scenario um insgesamt 46 %, 43 % bzw. 32 % für Verkehr, Gebäude und Industrie.
Das bedeutet: Der Bedarf an Primärenergie wird 2050 auf demselben Niveau liegen wie 2020.
Bis 2030 wird die Nachfrage erst ansteigen, ehe sie abflacht und bis zum Jahr 2050 wieder sinkt. Diese Entwicklung gilt auch bei anhaltendem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum.
Die Ursache für diese steigende und wieder abnehmende Kurve liegt an der Energieeffizienz, dem Ersatz von fossilen Energiequellen durch Elektrizität und der Tatsache, dass Strom beim Endverbrauch in den meisten Anwendungsfällen effizienter ist als die Umwandlung von Energie aus fossilen Brennstoffen. Nicht nur effizientere Prozesse in der Industrie, auch kontinuierliche Gebäudesanierungen, effizientere Beleuchtung, verbrauchsarme Geräte und die Elektrifizierung des Verkehrs tragen dazu bei. Der zunehmende Einsatz von Wärmepumpen in Gebäuden wird durch die Nutzung von Umweltwärme statt fossiler Brennstoffe ebenfalls den Verbrauch senken.
Unvorhersehbarkeit hat ihren Preis: Trotz aller positiven Entwicklungen können Hürden von Seiten der Politik der ausschlaggebende Faktor sein, der das effiziente Voranschreiten der Energiewende noch aufhalten kann.
Das Low Emissions Scenario von Statkraft geht davon aus, dass sich die Bereiche Politik, Wirtschaft und Technologie grundsätzlich in dieselbe Richtung bewegen. Sollte sich dies nicht bestätigen, könnte die globale Energiewende ineffizienter, teurer und langsamer werden.
Beispiele für Hürden und Verzögerungen sind: Politische Klimaschutzziele, unterschiedliche Handhabung der CO2-Bepreisung, Einschränkungen bei der Elektrifizierung in den Bereichen Verkehr und Heizung, langsamerer Kohleausstieg und vermehrter Widerstand gegen den Ausbau von Onshore-Windkraftanlagen. Betrachten wir drei der Hürden genauer:
1) Politische Klimaschutzziele: Eine verschleppte Umsetzung der Klimaschutzziele würde Europa sehr teuer zu stehen kommen, insbesondere weil es dadurch zu einem weiteren Ausbau von Kohle-, Gas-, Solar- und Windenergie käme. Bis 2050 würden die Gesamtkosten für das Energiesystem in Europa 4 % höher sein als im Low Emissions Scenario angesetzt. Unklare Klimapolitik, die keinen langen Planungshorizont ermöglicht, kann außerdem Investitionen verhindern, die den weiteren Ausbau der Erneuerbaren vorantreiben würden.
2) CO2-Bepreisung: In diesem Jahrzehnt wurde auf der ganzen Welt das Mittel der CO2-Bepreisung eingeführt. 22 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen werden derzeit durch CO2-Preise abgedeckt. Unsere Analysen zeigen, dass die Energiewende in Europa schneller gelingen wird, wenn höhere Klimaschutzziele mit einer CO2-Bepreisung kombiniert werden.
3) Hürden beim Ausbau der Onshore-Windkraft: Wenn der Ausbau der Onshore-Windkraftanlagen auf Hindernisse stößt und das Klimaschutzziel der EU bestehen bleibt, werden nach unseren Analysen mehr Solaranlagen und Offshore-Windparks gebaut werden. Die Energiewende wird teurer werden, und die Kapazitäten der länderübergreifenden Interkonnektoren in der EU werden zunehmen.
Eine verschleppte Umsetzung der Klimaschutzziele würde Europa sehr teuer zu stehen kommen. Der zügige Ausbau und die Förderung von erneuerbaren Energien sind unabdingbar, wenn bis 2050 die Erderwärmung unter 2 Grad Celsius gehalten werden soll. So stark die vier Trends der Energiewende sind: Ohne Unterstützung der Politik können sie ihre Wirkung nicht optimal entfalten.
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Low Emissions Scenario
Unser jährlich erscheinender Bericht wirft einen optimistisch-realistischen Blick in die Zukunft der Energiewende.
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